Mehrtägige Bergtour von Chamonix nach Arolla – Allein mit Zelt

Ich habe es mir wieder einmal gegönnt: Ca. 10 Tage dem Alltag entfliehen.
Der Plan war, innerhalb von 10 Tagen von Chamonix nach Zermatt auf einer der Haute Route ähnlichen Strecke zu wandern. Übernachten wollte ich hauptsächlich im Zelt, da es in der Schweiz oberhalb der Baumgrenze erlaubt ist, es sei denn man befindet sich in einem Wildschutzgebiet.

Am 20. Juli war es soweit. Ich nahm meinen Rucksack mit ca. 25 kg und fuhr mit dem Zug nach Chamonix. Die Nacht verbrachte ich auf dem dortigen Zeltplatz.

Am frühen Morgen ging es 7:30 Uhr los. 1.200 hm am Stück bergauf. Ich erreichte 10 Uhr das Refuge de Bellacht und gönnte mir einen Kaffee. Danach ging es zum Le Brevent auf 2.525 m. Auf dem Weg dahin waren die Gletscher des Mont Blanc Gebietes auf der gegenüberliegenden Talseite ständig präsent. Man merkte, dass in der Nähe viele Aufstiegsmöglichkeiten in Form von Seilbahnen waren, es waren sehr viele Wanderer unterwegs.
Nach einer Pause folgte der Abstieg zur Seilbahnstation. Dort machte ich Mittag um mich vor der Querung nach Flegere zu stärken. Ziel des Tages war der Lac Blanc, ein Bergsee auf ca. 2.350 m Höhe. Leider ist dort das Campieren verboten, aber ich konnte noch eines der letzten Betten im Refuge ergattern. Übernachtung mit Halbpension für 70 EUR, da kann man nicht meckern. (keine Alpenvereinshütte)

Insgesamt waren das am ersten Tag 23 km und 2.100 hm.


Am nächsten Tag ging es erst einmal ca. 1.000 hm hinab ins Val Chamonix. Vorbei an verschiedenen Bergseen auf einem sehr steilen Steig, erreichte ich die Strasse nach Chamonix bei Vallorcine. Es ging danach bergauf, durch einen Wald, auf einer Baustrasse (Seilbahnbau) und auf einem neu angelegten Wanderweg bis zum Col Blume auf ca 2.200 m. Von dort waren es dann ca. 2 h Weg um die Berge herum auf einer Höhe. Allerdings ist dieser Weg von einem ständigen Auf und Ab geprägt und damit auch sehr anstrengend. Bevor es wirklich abwärts ging, kam ich an eine Hütte, welche geschlossen war. Draußen war eine Dusche installiert und ich genoss das von der Sonne angewärmte Wasser. In Anbetracht der Tageszeit beschloss ich, hier mein Nachtlager aufzubauen. Bevor ich allerdings damit begann, machte ich mir etwas zu Essen. Währenddessen kamen die Besitzer der Hütte und nahmen diese für das Wochenende in Beschlag. Somit hieß es weiterwandern und einen neuen Schlafplatz finden. Diesen fand ich dann 800 hm tiefer mit Blick auf den Trienter Gletscher. Die Nacht gab es dann viel Regen und auch diverse Gewitter.

An diesem Tag legte ich 21 km und 1.100 hm zurück


Am Samstagmorgen wachte ich 5:00 Uhr vom Regen auf. Nach einem Blick auf das Regenradar von Metosat Swiss begann ich noch im Zelt zu packen und siehe da, der Regen hörte um 6:00 Uhr auf. Eine halbe Stunde später hatte ich alles zusammengepackt und stieg ca. 1.000 hm zum Fenêtre d’Arpette hinauf. Die 3 km bis zum Joch zogen sich, es war sehr steil und schottrig.
200 hm unterhalb des Jochs machte ich Frühstück: Kaffee kochen und Brotzeit. Auf dem Joch war ich nicht allein, obwohl es erst 10:30 Uhr war.

Der Abstieg war genauso schwierig wie der Aufstieg und plötzlich ist es passiert: Ein loser Stein, auf den ich trete, macht davon und ich eine Rolle. Zum Glück hatte ich mich nicht ernsthaft verletzt, nur ein paar Prellungen und Abschürfungen an den Schienbeinen und den Armen.

Nach weiteren 9 km Abstieg hatte ich es dann satt. Ich erreichte eine Wirtschaft mit angeschlossenem Campingplatz und beschloss, erst einmal meine Wunden zu “lecken”. Nach einem leckeren Schweizer Käsefondue baute ich mein Zelt auf und genoss den Samstag Nachmittag. Jetzt war ich meiner Planung schon einen Tag hinterher. Allerdings trieb mich ja nichts, da ich für die Übernachtungen ja das Zelt dabei hatte.

Da dieser Tourentag schon am frühen Nachmittag endete, waren es nur 11 km und 1.000 hm.


Am Sonntag stand ich 6:00 Uhr auf und war eine Stunde später bereits unterwegs. Durch die kurze Tour am Vortag fühlte ich mich wieder sehr gut und auch die vom Sturz lädierten Knochen fühlten sich gut an. Es ging auf Wald-, Wiesen- und Schotterwegen erst einmal 600 hm bergab bis nach Orseres. Hier konnte ich Geld holen und beim Bäcker frühstücken. Ziel des Tages war der Col de Mille auf 2.560 m.

Am Anfang ging es auf Nebenstrassen bergauf bis ich die Siedlung Peppaz hinter mir gelassen hatte. Dann ging es ca. 915 hm auf einem Pfad sehr, sehr steil hinauf bis zu einer Alpe in der Nähe des Six Blanc. Der Weg ist mit einem aussagekrägftigen Schild markiert: “Vertic Alp” – da fehlt nur noch das “al” zu “vertical”, denn der Name ist in diesem Gelände Programm.

An der Alpe kochte ich mir zur Mittagszeit einen Kaffee, machte Brotzeit und genoss eine Stunde in der Sonne (ich hätte auch länger da liegen können). Die restlichen 600 hm bis zum Col de Mille waren dann nicht mehr so steil, aber die Aussicht auf dem Weg war grandios. Auf dem Gipfel gab es 360° Rundumsicht und ich war ganz allein. Den Tag über hatte ich, trotz Sonntag, nur 4 Personen bis hierher getroffen. Nach einer ausgiebigen Pause ging ich dann hinunter zur Cabane de Mille und beschloss, in der Hütte zu übernachten. Die jungen Mädchen von der Hütte zauberten ein Abendessen, das richtig super war.


Da ich mich gut gefühlt und erholt hatte waren es an dem Tag 21 km und 1.750 hm


Die Nacht war nicht sehr gut. Im Schlafraum durfte auf Wunsch einer einzelnen Dame das Fenster nicht geöffnet werden und so bin ich in meinem Daunenschlafsack fast erschwitzt. Nach einem guten Frühstück machte ich mich auf den Weg ins Tal der Dranse. Am Anfang ging es moderat bergab, mit einem schönen Blick auf den Bergrücken, auf dem ich am Tag zuvor gelaufen war. Nach 8 km und 450 hm Abstieg erreichte ich die Cabane Brunet. Hier gönnte ich mir ein Stück frischen Kuchen und einen Kaffee. Der Weg wurde jetzt steiler und auch wieder unwegsamer. Ungefähr zur Mittagszeit erreichte ich die beiden Stauseen bei Fionnay. Nach der Mittagspause auf der Bank einer Bushaltestelle machte ich mich an den Aufstieg von ca. 1.000 hm zum Lac de Louvie. Immer im Zick Zack den Berg hinauf. An der Cabane de Louvie genehmigte ich mir ein Bier und beschloss, noch ca. 1-2 Stunden weiterzulaufen und mir dann einen Schlafplatz zu suchen. Da ich mich im Schutzgebiet befand, suchte ich nach einer Schutzhütte und fand nach 2,5 h auch eine super Schlafgelegenheit.

Kurz vor dem Einschlafen waren draussen laute Schläge zu hören und ich schaute vorsichtig nach. Ca. eine Stunde lang beobachtete ich dann Steinböcke bei der Brunft. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen.

Die Laufleistung des Tages waren 20 km und 1.440 hm.


Am nächsten Morgen war es sehr neblig. Ebenso stellte ich fest, dass ich jetzt ohne Handynetz bin (und das sollte sich die nächsten 3 Tage auch nicht ändern). Beim Aufstieg zum ersten Joch des Tages, dem Col de Louvie auf 2.921 m traute ich meinen Augen kaum: Immer wieder tauchten vor mir im Nebel Steinböcke auf. Die kamen mir so nahe, dass ich sie mit einem Stock berühren könnte. Der Weg zum Joch war an diesem Tag etwas begangener und ich traf auf immerhin 6 Wanderer.

Vom Joch ging es in einen Kessel hinunter, in dem ein kleiner See ist, der von 2 Gletschern gespeist wird.
Ich machte hier eine Pause, kochte mir einen Tee und genoss die Landschaft. Es war unglaublich, was hier oben für ein Verkehr war: Mehrere Gruppen von Bergläufern, Familien mit kleineren Kindern und andere Wandergruppen waren unterwegs. Aus dem Kessel ging es dann wieder hinauf zum Col de Prafleuri und hinunter zur gleichnamigen Cabane.

Diese Hütte erreichte ich zur Mittagszeit und es gab – typisch für die Schweiz – ein Rösti natur. Danach ging es schon wieder bergauf zum Col des Roux, und hinab zum Stausee Lac des Dix. Die nächsten 5 km gingen am See entlang bis zu dessen Ende, immer auf einem Schotterweg entlang. Kurz bevor ich ans Ende kam, überholten mich vier E-Biker. Am Ende des Sees war ich überrascht: Es gibt nur noch einen steilen Steig hoch zur Cabane des Dix bzw. den Abzweig zum Col de Riedmatten. Aber die E-Biker waren nicht zurückgekommen. Und wirklich stellte ich anhand der Spuren fest, dass diese mit den Rädern hoch gefahren sein mussten.

Der Weg war ziemlich steil und unterhalb der Cabane des Dix suchte ich mir eine Übernachtungsmöglichkeit. Das dauerte ein wenig, da ein Schlafplatz mit den drei Voraussetzungen ebener Untergrund, in der Nähe von Wasser und steinschlaggeschützt gar nicht so einfach zu finden war. Aber schließlich hatte ich auf knapp 2.800 m eine Stelle gefunden mit einer schönen Aussicht auf den Cheilon Gletscher. Zum Abendessen gab es dann wieder etwas Warmes und die Nacht wurde auch nicht kälter als 4° C.

An diesem Tag legte ich 21 km und 1.400 hm zurück


Am vorherigen Abend hatte ich mir schon Gedanken über die weitere Route gemacht und den Entschluss gefasst, die Wanderung jetzt am siebten Tag zu beenden. Dafür gab es 2 Gründe: Erstens lag ich hinter der Planung 1,5 Tage zurück und zweitens konnte ich im nächsten Tal gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln wieder nach Hause fahren. Das wäre dann die beiden kommenden Tage nicht mehr möglich gewesen.

Also der letzte Tag. Es ging hoch zum Col de Riedmatten auf 2.919 m. So hoch war ich während der Tour nur am Col de Louvie (2.921m). Der letzte Anstieg zum Sattel hoch hatte es in sich. Es ging gefühlt senkrecht (ca. 40 %) auf losem Schotter hoch. Oben angekommen auf dem sehr engen Sattel, ging es dann in Serpentinen hinunter. Ich traute meinen Augen nicht, aber da waren ziemlich frische Fahrradspuren nach unten. Respekt vor den E-Bikern von gestern, die wussten, was sie tun. Die mussten die E-Bikes stellenweise auf dem Rücken auf den Col de Riedmatten hochgetragen haben. Und auch die Abfahrt ist im Bereich von S3-S4 auf der MTB Skala. Ich hätte im oberen Teil der Abfahrt wegen der Absturzgefahr vieles geschoben.

In Arolla kam ich gegen ca. 11:00 Uhr an und stellte fest, dass ich bis zur Abfahrt des Busses nach Sion mir noch ein Bier leisten konnte. In Sion übernachtete ich und fuhr tags darauf dann wieder mit dem Zug nach Hause.

Am letzten Tag waren es nur noch 280 hm und ca. 10 km bis ich Arolla erreicht hatte.


Fazit der Tour:

  • eine wunderschöne Gegend
  • das Wallis ist ganz anders als die Zentral- und Ostalpen
  • ich komme noch mal her (Arolla) um die restliche Strecke (geplant 4,5 Tage)
    bis nach Zermatt zu gehen
  • 6,5 Tage, 127 km, 9.070 hm bergauf, 8.200 hm bergab


Norbert Herz
FÜL MTB